• Front- oder Back-Fokus, AF Feinabstimmung bei Nikon Kameras

    FocusTuneRuler D850 85mm plus3

In letzter Zeit bin ich immer wieder mit dem Begriff Front- oder Back-Fokus im Zusammenhang mit Spiegelreflexkameras konfrontiert worden. Zum ersten Mal so richtig im eBook von Steve Perry, welches sich intensiv mit dem Autofokus System der Nikon Kameras befasst. Dann hat aber auch Nikon selbst, durch eine ins Kamera-Menü integrierte Funktion zur automatischen Korrektur des AF Systems, auf diese Thematik aufmerksam gemacht.

Worum geht es bei dieser Begrifflichkeit überhaupt? Bei Spiegelreflexkameras wird die Schärfe nicht direkt im Bild des Sensors, sondern in einer vom Bildsensor unabhängigen Einheit, dem AF Sensor, ermittelt. Dieser erhält seine Bildinformationen über einen Hilfsspiegel und ermittelt daraus über eine Phasenvergleichsmethode die Distanz zum Objekt. Da es sich dabei aber um ein komplexes mechanisches System handelt, kann es durch Ungenauigkeiten, Fertigungstoleranzen oder auch temperaturabhängige Veränderungen zum sogenannten Front- oder Back-Fokus Effekt kommen. Dabei ist der vom AF System ermittelte Fokuspunkt vor (Front) oder hinter (Back) dem Objekt, welches scharf dargestellt werden soll (Autofokus bei Wikipedia).

Im Gegensatz zum Phasen-AF System kann beim Kontrastautofokus im Live View Modus dieser Effekt nicht auftreten, da die Schärfe direkt im Bild des Sensors ermittelt wird. Dieses Verfahren benötigt aber immer genügend Kontrast!

Die nachfolgenden Tests zur möglichen Korrektur dieses Effekts habe ich nur mit Nikon Equipment durchgeführt, da sich nur dieses in meiner ‹Fototasche› befindet. Deshalb stellt dieser Beitrag keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Ausserdem ist es mir zeitlich auch nicht möglich, jede erdenkliche Kamera / Objektiv Kombination mit Brennweiten- und Distanz-Varianten in mehreren Durchgängen zu vermessen.

Beide vermessenen Kameras, die Nikon D500 sowie die neue Nikon D850, enthalten die Funktion ‚AF-Feinabstimmung‘, mit welcher für bis zu 20 unterschiedliche Objektive ein Korrekturwert gespeichert werden kann. Im Nikon Manual ist dazu aber folgender Hinweis zu beachten: Im Normalfall ist eine Feinabstimmung des Autofokus nicht empfehlenswert, da sie die automatische Scharfeinstellung negativ beeinflussen kann. Nur bei Bedarf nutzen.

Vermessen habe ich die Kamera / Objektiv Kombination jeweils unter gleichen Bedingungen (soweit möglich) mit 3 unterschiedlichen Methoden.

Methode 1: Kameraintern

In die Kamera integrierte AF Feinabstimmung. Dazu habe ich das gleiche Target wie bei Methode 2 verwendet (Target von Reikan). Bei dieser Methode muss darauf geachtet werden, dass der Fokuspunkt zentriert ist (durch den Sucher und mit LiveView). Ansonsten kommt es zu einer Fehlermeldung und der Vorgang schlägt fehl.

Methode 2: FoCal Pro 2.6 von Reikan

Diese Software liefert ein Target als JPEG oder PDF mit. Dieses muss selbst ausgedruckt werden. Bei dieser Methode muss die Kamera über das USB Kabel mit dem Computer verbunden werden. Der Vorgang läuft nur ‚halbautomatisch‘ ab, da die Software bei Nikon Kameras den ‹AF-Fine Tune› Wert nicht direkt verändern kann. Die Software fordert per Sprachausgabe zum Einstellen eines bestimmten ‹AF-Fine Tune› Werts auf. Am Ende des Messdurchgangs wird der einzutragende ‹AF-Fine Tune› Wert ausgegeben. Alle Resultate können in einen mehrseitigen Report als PDF exportiert werden (Beispiel bei der D500 mit 70-200mm Objektiv weiter unten).

Methode 3: ‚LensAlign‘ Target und ‚Focus Tune‘ Software von Michel Tapes Design

Bei dieser Methode muss der ‹AF-Fine Tune› Wert manuell gesetzt werden. In z.B. 5er Schritten (von -10 bis +10) werden pro Schritt 5 Bilder des ‚LensAlign‘ Targets im JPEG Format aufgenommen. Vor dem auslösen via Funkfernbedienung und Spiegelvorauslösung wird der Fokusring in eine beliebige Stellung verdreht. Diese Bilder (bei diesem Beispiel 25) werden dann in die Software ‚FocusTune‘ importiert. Vor der Analyse der Bilder muss zuerst das Target über vorgegebene Eckpunkte definiert werden. Danach analysiert die Software die Bilder und erzeugt entsprechende Tabellen und Kurven (PDF).  Um das Resultat zu verfeinern, kann in weiteren Durchgängen mit kleineren Schritten eine weitere Analyse in dem Bereich, in dem der beste Fokus liegt, durchgeführt werden.

Kamera/Objektiv mit FoCal Target

Kamera/Objektiv mit FoCal Target

Erste Messreihe mit Nikon D850 und AF-S NIKKOR 85mm f/1.4G Objektiv

Da dieses 85mm Objektiv vorwiegend in der Portrait-Fotografie zum Einsatz kommt und bei dieser Art von Fotografie häufig aus kurzen Distanzen mit offener Blende fotografiert wird (Bokeh), kann sich eine Abweichung im Fokus System fatal auswirken.

Deshalb habe ich bei dieser Messreihe auch nicht den empfohlenen Abstand zum Target von 25 – 50 x Brennweite (bei 85mm = 2,1 – 4,2m) eingehalten, sondern habe alle Messungen mit einem Abstand von ~ 1,5m zum Target durchgeführt. Die Kamera wird dabei auf die identische Höhe wie das Target fixiert und gerade zum Target ausgerichtet. Das Target selbst wird mit einer Tageslichtleuchte von Lupolux beleuchtet.

Bei Methode 1 wird, wenn alles korrekt vorbereitet ist, das Okular verschlossen und mit LiveView auf das Target scharf gestellt (vor jedem Versuch wird der Schärfering verdreht). Danach werden die AF-Modus-Taste sowie die Taste für Filmaufzeichnung gleichzeitig gedrückt und gehalten bis auf dem Display ein Dialog angezeigt wird. Mit ‚Ja‘ kann der Dialog bestätigt werden, der Korrekturwert wird ermittelt und automatisch für das montierte Objektiv eingetragen. Über das Menü kann der Wert kontrolliert werden.

Leider ist mit dieser Methode das Resultat nicht wirklich reproduzierbar! Das heisst, wenn der Vorgang mehrmals unter identischen Bedingungen durchgeführt wird, wird jedes Mal ein anderer Wert eingetragen.

Deshalb habe ich zur Ermittlung eines Mittelwerts den Vorgang 12 x durchgeführt, einen tiefsten und einen höchsten Wert gestrichen und den Mittelwert aus den 10 verbliebenen Messungen berechnet.

Für die vermessene Kombination haben sich folgen Werte ergeben:

+7 +5 +3 +1 -3 +6 +3 +3 +2 -2 0 0

Gestrichen wird +7 und -3,  die Summe ist 21, geteilt durch 10 ergibt +2,1. Ich würde in diesem Fall, wenn überhaupt auf +2 einstellen.

Bei der Methode 2 habe ich am Messaufbau nichts verändert. Die Kamera wurde lediglich über das USB Kabel mit dem Computer verbunden. Aus der Software FoCal  kann der Testaufbau mit einer Testfunktion auf allfällige Fehler getestet werden. Einzig die zu kurze Distanz zum Target wurde angemerkt (aber nur als Hinweis).

FoCal Pro 2.6 - Kamera über USB verbunden

FoCal Pro 2.6 – Kamera über USB verbunden

FoCal Pro 2.6 - Einstellungs- und Target Check

FoCal Pro 2.6 – Einstellungs- und Target Check

Danach wird der Test gestartet und nach kurzer Zeit kommt eine Aufforderung, den ‹AF-Fine Tune› Wert über das Menü auf einen bestimmten Wert zu setzen. Am Ende des Messdurchgangs wird der einzutragende ‹AF-Fine Tune› Wert ausgegeben.

Focal Pro 2.6 - Einzustellender Wert

Focal Pro 2.6 – Einzustellender Wert

Auch bei dieser Methode gab es zwischen 2 Durchgängen, unter gleichen Bedingungen, massive Unterschiede. Beim ersten Durchgang, welcher einen ‹AF-Fine Tune› Wert von -1 kalkuliert, wird wenigstens die ‚Result Confidence‘ mir ‹Acceptable› ausgewiesen. Beim zweiten Durchgang, welcher einen Wert von -13 ausweist, wird diese ‚Result Confidence‘ mit ‚Poor‘ ausgewiesen. Da ich keine weitere Zeit investieren wollte, habe ich es bei diesen 2 Durchgängen belassen. Allerdings vermittelt dieses Verhalten nicht wirklich viel Vertrauen in die Zuverlässigkeit dieser Methode.

FoCal Pro 2.6 - Endresultat

FoCal Pro 2.6 – Endresultat

Bei der Methode 3 mit dem ‚LensAlign Target und der Software ‚Focus Tune‘ muss der Messaufbau auf das spezielle Target umgebaut werden. Auch die Kameraeinstellungen müssen für diese Methode angepasst werden. Die Kamera wird dann per Funkfernauslöser mit Spiegelvorauslösung (2sec) ausgelöst. Auch bei dieser Methode wird vor jedem Auslösen der Fokusring verdreht. Pro manuell eingestelltem ‹AF-Fine Tune› Wert werden 5 Bilder gemacht.

Beim ersten Durchgang mit je 5 Shots bei -10 -5 0 +5 +10 ergab sich ein Wert für das schärfste Bild von ~ +9. Deshalb habe ich mich beim zweiten Durchgang auf diesen Bereich beschränkt und die Messung mit je 5 Shots bei -3 0 +3 +6 +9 +12 durchgeführt. Auch mit dieser Methode kam ein vom ersten Durchgang abweichendes Resultat heraus, nämlich +12 (schärfstes Bild)!

Dazu muss allerding angemerkt werden, dass diese Software generell das schärfste Bild ausweist. Dieses Bild kann durchaus Front- oder Backfokus aufweisen! Deshalb muss der einzustellende Wert manuell herausgesucht werden. Dies geht direkt in der Software, über die optische Analyse des 20° geneigten ‚Rulers‘ mit einer entsprechenden Skala.

Diese optische Analyse ergab dann in etwa einen Wert von +3 …

Focus Tune Ruler - D850 85mm sharpest +12

Focus Tune Ruler – D850 85mm sharpest +12

Focus Tune Ruler - D850 85mm +3

Focus Tune Ruler – D850 85mm +3

Auch diese Software generiert ein PDF mit den Messergebnissen (PDF Report zu dieser Messung)

Mein Fazit zu dieser ersten Messreihe ist kurz und knapp und lautet: ich lasse alles auf Null!

Zweite Messreihe

Die zweite Messreihe habe ich mit der Nikon D500 und dem neuen AF-S NIKKOR 70-200mm 1:2.8E FL ED VR durchgeführt. Mit einem Zoom Objektiv ist die Nutzung dieser Funktion aber noch fragwürdiger, da nur ein Wert pro Objektiv hinterlegt werden kann, obwohl sich mit der Brennweite auch der Fokusfehler ändern könnte. Ich habe es mir aber insofern einfach gemacht dass ich nur mit maximaler Brennweite von 200mm gemessen habe. Die Distanz zum Target habe ich bei dieser Messreihe auf ~ 6,5m eingestellt (optimal wären bei 25 – 50 x Brennweite zwischen 5 und 10m).

Bei der Methode 1 mit der Kamerainternen Funktion ergaben sich folgende 12 Werte:

-4 -5 -6 -5 -6 -6 -4 -5 -6 -7 -8 -7

Gestrichen wird -4 und -8,  die Summe ist -57, geteilt durch 10 ergibt -5 oder -6. Ich würde in diesem Fall, wenn überhaupt auf -6 einstellen.

Bei der Methode 2 habe ich am Messaufbau nichts verändert. Die Kamera wurde lediglich über das USB Kabel mit dem Computer verbunden. Die FoCal Software kalkuliert einen optimalen ‹AF Fine Tune› Wert von -10. Bei dieser Kombination wird allerdings im Gegensatz zur ersten Messreihe die ‚Result Confidence‘ mit ‚Excellent‘ ausgewiesen (PDF Report zu dieser Messung).

Auch die Methode 3 weist in dieser Kombination einen einzustellenden Wert von ~ -10 aus. Allerdings fällt bei der optischen Analyse auf, dass sich der Front- und Backfocus bei gleichem Korrekturwert bei jeder Aufnahme zum Teil stark verändert.

Focus Tune Ruler - D500 70-200 mm -10

Focus Tune Ruler – D500 70-200 mm -10

Bei dieser Messreihe ist aber doch eine klare Tendenz zu einem negativen Wert im Bereich zwischen -6 und -10 erkennbar. Trotzdem würde ich auch bei dieser Kombination keinen Wert hinterlegen, da nicht klar ist, wie sich dieser Wert bei veränderten Einstellungen (Brennweite / Distanz) auf den Fokus auswirkt.

Deshalb mein abschliessendes Fazit: Ich werde mich an die eingangs erwähnte Empfehlung aus dem Nikon Manual halten: Im Normalfall ist eine Feinabstimmung des Autofokus nicht empfehlenswert, da sie die automatische Scharfeinstellung negativ beeinflussen kann. Nur bei Bedarf nutzen……

30 Dezember 2017, von Beat
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2 Kommentare
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Bruno
Bruno
30. Dezember 2017 22:54

Danke Beat. Interessant! Dein Fazit ist also am besten die Finger davon lassen? Dann gibts also nicht wirklich eine verlässliche Methode bei den Messwerten die Du angibst? Gerade die Kombination D850 und 85mm hätte ich auch mal gerne vermessen…